Tropisches Korallenriff in St.Gallen
Schon als kleines Kind liebte ich das Meer. Seit Anfang der 80e-Jahre tauchen Elisabeth und ich als stolze TCBler im Süsswasser und in vielen schönen Tauchgebieten der tropischen Weltmeere. Diese wunderschöne Fisch- und Korallenwelt wollten wir, resp. ehrlicher gesagt ich, auch zu Hause betrachten. Zuerst war es ein Aquarium, dann zwei, später drei und heute wieder zwei. Hinzu kommt der Trend, dass die Aquarien mit der Zeit immer grösser wurden. Nun aber alles der Reihe nach.
Die Entwicklung der Meerwasser-Aquarium Technik
Ein Pionier der Meerwasseraquarien war der deutsche Biologe Peter Wilkens, der in Winterthur wohnte und in einem kleinen Schuppen hinter dem Bahnhof Winterthur einen Laden betrieb. Er hat schon früh viele wissenschaftliche Bücher geschrieben und wesentlich zum Verständnis der Meerwasserbiologie beigetragen. Er setzte auf eine vorwiegend biologische Reinigung des Aquariumwassers um folgende Hauptprobleme zu lösen:
- Abbau von Nebenprodukten der Fütterung der Tiere und des Algenwuchses
- Erhalt der Zusammensetzung des Meerwassers
- Technische Imitation des Sonnenlichts
- Simulation der Strömungs- und Lebensbedingungen
Im Aquarium gibt es keine Ebbe und Flut, die täglich für einen Austausch des Wassers sorgen. Ohne Filterung wird das Aquarium rasch zu einer verschmutzten Pfütze. Die wichtigsten, abzubauenden Abfallprodukte sind Phosphat (PO4), Nitrat (NO4) und Nitrit (NO3). Die ersten beiden sind geradezu Dünger für die Algen, die dann rasch die Korallen überwachsen, ihnen das Licht wegnehmen und sie damit zum Absterben bringen. Da Algen und Korallen beide Licht brauchen, ist ein Gleichgewicht der Wasserzusammensetzung entscheidend für das Überleben der Korallen. Nitrit ist eine Vorstufe des Nitrats und ein Fischgift. Bei genügender Sauerstoffsättigung des Wassers wird Nitrit biologisch zu Nitrat umgeformt.
Technisch Lösung
Anfangs wurde das Wasser in einem Innen- oder Aussenfilter, den man mit Watte, Schaumstoff und/oder Korallenbruch füllte und mittels einer Pumpe das Wasser langsam – biologische Prozesse brauchen Zeit – durch den Filter laufen liess, gereinigt. Das genügte jedoch wegen der meist hohen Fischbesatzung nicht und es wurden Eiweissabschäumer eingebaut. Diese funktionierten so, dass mit heftiger Durchwirbelung von Wasser und Luft die Eiweissteilchen obenauf schwimmen und dann abgetrennt werden können. Später stellte man fest, dass neben den Abfallstoffen dem Aquariumwasser leider auch Spurenelemente zusätzlich zum normalen Verbrauch der Steinkorallen entzogen wurden. Weil die Messtechnik fehlte, behalf man sich mit einem regelmässigen Wasserwechsel von ca. 10-15% des Inhalts pro Monat. Noch etwas später kam dann die Dosierung verschiedener Spurenelemente hinzu, ohne diese aber messen zu können. Heute geht das viel genauer. Die Firma Triton betreibt ein wissenschaftliches Labor, dem rund 25’000 Aquarianer angeschlossen sind. Nach dem Einsenden einer Wasserprobe erhält man auf dem eigenen Internetkonto eine Elementanalyse des Meerwassers mit Dosierungsempfehlungen und kann so punktgenau diejenigen Spurenelemente dosieren, die im Aquarium wirklich verbraucht werden. Hinzu kommen dann noch programmierbare Strömungspumpen, die für wechselnde Strömungsverhältnisse sorgen.
Dank der LED Technik kann man heute das Sonnenlicht bezüglich Farbenspektrum und Farbintensität gut kopieren. Auch hier hilft die Informatik und ein ganzer Tagesablauf mit den unterschiedlichen Farben und Intensitäten kann nachgebildet werden.
Aufbruch in die Neuzeit
Überzeugt von den neuen Möglichkeiten und mit dem Traum, ein Steinkorallenriff, das in St. Gallen wächst und lebt, zu schaffen, entschloss ich mich, einen technischen Neuanfang zu wagen. Dieser begann mit dem Abbau der beiden alten Aquarien verbunden mit Bodenleger-, Elektriker- und Malerarbeiten. Zwei Lieferwagen mit altem Material wurden entsorgt, die Tiere beim Händler platziert. Wie die Wohnung während dieser Zeit aussah, vermitteln einige Bilder. Der Einbau begann dann verspätet im Februar dieses Jahres und war wieder eine logistische Meisterleistung. Zuerst hatte es auf den Parkplätzen vor dem Haus 80cm hart gefrorenen Schnee. Was tun? Einfach die Stadtwerke anrufen und darum bitten, gerade diese Parkplätze jetzt zu räumen, wohl wissend dass die ganze Stadt im Schnee versank…Besten Dank, es klappte perfekt! Und wie bringt man 1300 Liter echtes Meerwasser von der Strasse in den 3. Stock? Natürlich nicht mit 10 l Kanistern sondern mit Schläuchen und Pumpen in den Fahrzeugen. Für das neue Riff, das aus lebenden und damit auch nassen Steinen besteht, füllte sich die Wohnung mit Kisten und Behältern...zum Glück hatte ich die ganze Wohnung mit Vlies abgedeckt und unser Marmorboden hat nicht gelitten. All die Mühe hat sich gelohnt, was die wenigen Bilder zeigen. PS: die Steinkorallen haben bereits wenige Millimeter zugelegt, das Herz eines Aquarianers freut‘s!
Philip Mosimann